Dunkle Traumlandschaften
“Manche Menschen gründen Bands, um die Welt zu erobern. Andere, um zu erklären, für wie beschissen sie eben jene halten. Entschliesst sich eine junge, frisch diplomierte Jazzgitarristin, siebzehn Musiker in einer eigenen Big Band zu versammeln, um sie ausschliesslich ihre Eigenkompositionen – zwischen Pop, Prog und Psychedelia- spielen zu lassen, liegt ein Rückschluss auf Größenwahn nahe.
Doch damit täte man der Bandgründerin Monika Röscher Unrecht. Und ohnehin wäre beinahe alles ganz anders gekommen. Als Projektname war zuerst “die Kapelle der Verklärung” angedacht, aber das klang Monika dann doch zu unheilvoll. Verklärung ist auch sonst nicht so ihr Ding. Anstelle eines Gründungsmythos, der ihrer zauberhaften Musik gerecht würde, gibt es nur die Erinnerung an ein schnödes Studienseminar, in dem ihr erstes Bläserarrangement viel Lob nach sich zog. Vielleicht ist da was dran, dachte sie damals.
Schnitt, zwei Jahre später: Die Monika Röscher Big Band erhält den Förderpreis der Landeshauptstadt München 2011. Da besteht sie gerade mal ein halbes Jahr, hat ein offizielles Konzert gespielt (in Monikas fränkischer Heimatstadt Langenzenn) und ein Album aufgenommen.
Die Produktion übernahm Dub-Produzent Philipp Winter, der während Monikas Abschlusskonzert an der Musikhochschule München zufällig im Publikum saß. Dass da vielleicht etwas dran sei, muss auch er sich gedacht haben, denn spontan bot er der Bandleaderin an, gemeinsam eine CD aufzunehmen – gratis. Warum? Vielleicht, weil er ahnte dass er es mit einer der außergewöhnlichsten und ambitioniertesten Musikerformationen Münchens (und darüber hinaus) zu tun bekommen würde.
Sämtliche Big-Band Assoziationen laufen bei diesem Projekt – von der Besetzung einmal abgesehen – ins Leere. Zwar sind die Kompositionen Roschers, was weiträumige Harmonik und ausgedehnte Soloparts angeht, dem Jazz verhaftet. Aber das besondere Augenmark auf Klangtexturen und musikalische Bildhaftigkeit zeugt von einer größeren geistigen Nähe zu zeitgenössischen Indie-Klangbastlern. Als hätte Johanna Newsom ihre Harfe gegen eine manisch-depressive Bläserrotte eingetauscht, lässt die Band dunkel klingende Traumlandschaften erstehen, denen man nie recht trauen kann: Kaum meint man, eine sanfte Reminiszenz an Miles Davis “Sketches of Spain” ausgemacht zu haben, fällt einem ein rhythmisch verstörter Zwischenteil in den Rücken, wie ihn The Mars Volta nicht psychotroper hätten heranzüchten können. Kompakte Popsongs gehören aber ebenso zum Repertoire. Und Monikas Gesang – auf dem unbemitteltem Debütalbum nur in einer Nebenrolle zu hören – rückt für die nächste Platte immer mehr nach vorn. Es ist ein kleines Wunder, dass dieser Stilmix so gut funktioniert und zu keinem Moment berechnend wirkt. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Größe der Musik nicht mit Erwartungen an ihre Rezeption verknüpft wird: Im Gespräch nimmt Monika jedes Lob freundlich, aber eher gleichmütig hin – als bewundere man das grün ihrer Zimmerpflanzen. Dabei reibt sie sich auf für ihre Musik, lenkt und organisiert die Band im Alleingang.
Eine Band, die es übrigens beinahe nicht gegeben hätte. Monika stand kurz davor, statt Musik Sport zu studieren. Ob das nicht schade gewesen wäre?Sie wiegelt sofort ab: “Nee, dann wäre was anderes Gutes passiert.” Ein bisschen irre ist sie schon. Oder wie Roscher-Fan und Tomte-Sänger These Uhlmann es während einer Radiobesprechung ausgedrückt hat: ” Monika Röscher hat ganz schön einen an der Klatsche. This shit is berserk.”