Clarino 2013

 

Eine Bigband auf dem Weg nach oben

Die Blasmusik erobert die Clubs! Das ist zwar nicht völlig neu, denn seit LaBrassBanda eine Diskothek in Traunstein eroberte, sind schon einige Liter Wasser die Donau runter geflossen. Doch in der Fülle, wie das zur Zeit passiert, ist es doch etwas Besonderes. Der Holstuonarmusigbigbandclub bespielt den Milla Club, ebenso Moop Mama und der »neueste heisse Scheiss«, wie man in Clubszenendeutsch wohl sagen würde, ist die Monika Roscher Bigband. Die nämlich nutzt das Atomic Café sogar für die Release-Party ihrer Debüt-CD.
»Failure in Wonderland« heißt der Tonträger und der Titel der CD sagt doch schon einiges aus über den kometenhaften Aufstieg der 18 Musikerinnen und Musiker und vor allem ihrer Bandleaderin. Ein Scheitern ist es beim besten Willen nicht – ganz im Gegenteil. Monika Roscher, 28 Jahre jung, zeigt sich zum einen überrascht und zum anderen auf jeden Fall überwältigt vom Erfolg. Monika Roscher wähnt sich wahrscheinlich wirklich gerade in einer Art Wunderland. Denn es klappt gerade alles so wunderbar. Die Bandleaderin und Gitarristin benutzt, um ihre Situation und Gefühlslage zu beschreiben, Worte wie »voll toll«, »saucool« und als Steigerung »voll krass gut«.
Die Musikerin, bekommt man den Eindruck, schwankt bisweilen zwischen gesundem Selbstbewusstsein, etwas schaffen zu wollen, und dem bewussten Leben eines Traums. In jedem Fall hat Monika Roscher ein einnehmendes Wesen, eine ansteckende Begeisterung und sicherlich Fähigkeiten, die eine Bandleaderin braucht. Und nicht zuletzt ist die 28-Jährige überaus charmant. Das liegt an ihrer lockeren Art, aber auch daran, dass sie aus Franken kommt. Aus Langenzenn im nördlichen Landkreis Fürth in Mittelfranken, um genau zu sein. Am Zungenschlag erkennt man das. Monika Roscher sagt zum Beispiel »ned« statt »nicht«, »Leude« statt »Leute« und auch das k ist ein bisschen weicher als das Hochdeutsche. Liebenswürdig irgendwie auch: ihre Bigband ist »rumpelicher« als andere – »rumpeliger, erdiger und macht mehr Krach«.
Krach ist eigentlich das falsche Wort für das, was da auf »Failure in Wonderland« zu hören ist. Die vom renommierten Münchner Label Enja ins Programm genommene CD ist mehr als nur laut. Vielleicht sollte man sie sogar laut hören, doch diese Musik entzieht sich jeder bisherigen Genre-Schublade. Monika Roscher will das auch gar nicht einsortieren, denn »dafür sind ja die Journalisten zuständig«, lacht sie. Und die Journalisten überbieten sich gegenseitig mit schönen Worten, ausgeschmückten Formulierungen und dem Versuch, die Schublade zuzubekommen. »Monika Roscher fusioniert auf ihrem famosen Debüt Album die Geschmeidigkeit aller Elemente zeitgenössischen Pops mit dem nostalgischeren Jazz«, schreibt Die Zeit. und sie »kann hinlangen wie eine Rockbraut, dann bratzt und kracht und jault es wie bei einem Indie-Konzert«, meint die Süddeutsche und »Die Musik ist versponnener, frecher, poetischer, brachialer, zärtlicher und ingeniöser…«, dichtet die mittelbayerische Zeitung. Was soll man da noch schreiben? Nun, es ist definitiv: anders. Und vor allem umwerfend gut. Auch Clarino schrieb ja schon vor Monaten: »Ist das jetzt Jazz? Oder doch schon Rock? Oder ist das vor allem egal, solange es gut ist?«
Begonnen hat »das alles« – mal abgesehen von der Geburt der Frontfrau im Jahre 1984 – in einem Studienseminar an der Musikhochschule in München. Gregor Hübner wollte damals – 2008 war das – von allen Teilnehmer ein Bigband-Stück haben. Nach anfänglichen Fragezeichen in den Augen »habe ich dann erst gemerkt, was in einer Bigband alles drinsteckt«. Ihre Komposition kam an, »taugte voll«, wie die damalige Studentin anmerkte. Und ab dem Zeitpunkt ging es Schlag auf Schlag. Das Diplomkonzert stand an und weil man sich dort »ja einerseits gut darstellen möchte und andererseits eine gute Note haben will«, musste ein besonderes Konzept her. »Und ich habe dann Solo mit der Gitarre angefangen und die Session endete dann mit der Bigband.« Das Feedback war »umwerfend, überwältigend, anders«. Monika Roscher strahlt. Kaum dass die Bandleaderin den Backstagebereich verlassen hatte, bot ihr auch schon der zur Zuhörerschaft gehörende Produzent Philipp Winter an, eine CD aufzunehmen. Mit dem Ergebnis bewarb sich die Band für ein Stipendium bei der Landeshauptstadt München und wurde prompt mit dem Leonhard und Ida Wolf-Gedächtnispreis 2011 belohnt. Zu diesem Zeitpunkt besteht die Band gerade einmal ein halbes Jahr.
»Ich war eh mit dem Studium fertig, hab dann rumtelefoniert und zu den Musikern gesagt: ›Leude, machen wir Bigband?‹« Dafür, dass sie heute in der großen Besetzung spielt, ist sie dem Schicksal irgendwie dankbar. »Eigentlich hätte ich in einer 4-Mann-Kapelle Rockmusik spielen wollen«, erklärt sie. Natürlich hört man den Rock auch bei ihrer Musik immer noch, »doch das Geile an der Bigband ist ja, dass diese Musik total vielfältig ist. Und das bin ich als Mensch ja auch. Ich bin jetzt eben nicht im ›Korsett des Pop‹ gefangen. Jetzt bin ich frei!« Die Frontfrau weiß, dass ihre Musik auch Angriffsflächen bieten könnte. »Wenn mir Leute sagen, dass das ja nicht Glenn Miller sei, kann ich das voll verstehen. Ist es ja auch nicht. Ich bin’s, die Moni.« Monika Roscher weiß die alten Bigband-Recken zu schätzen. So spielen will sie nicht. »Ich hole mir meine Inspirationen aus dem Hier und Jetzt.«
Die Bigband als Klangkörper fasziniert die Gitarristin, Sängerin, Komponistin und Bandleaderin. Musikalisch sowieso, aber auch die Zusammenarbeit mit den Musikern gefällt ihr. »Ich hatte gestern einen Soloauftritt. Nur meine Gitarre und ich. Das war alles schön – aber ich merke, dass mir da die Leute fehlen. Es ist schön, wenn man von der Band etwas zurückbekommt und man gemeinsam Musik macht.« Auch die Möglichkeit, nur zu komponieren, hat die 28-jährige in Erwägung gezogen. Und wieder verworfen. »Denn ich will ja mitspielen!« Anfangs hatte die Musikerin für ihre Band den Namen »Kapelle der Verklärung« ins Auge gefasst. »›Kapelle‹ hat diesen kaputten, rumpelnden Beiklang, der mir gefällt. Eine Kapelle genießt in meiner Vorstellung eine gewisse Narrenfreiheit, sie ist lebendig, sie ist wild. Und genau das ist für mich wichtig: dass alle in der Band ihre Emotionen ausleben können.« Schade eigentlich, aber irgendwie kam sie damit nicht durch. Vermutlich sind das die Kompromisse, die man im Business eingehen muss. »Orchestra ging gar nicht«, lacht sie. »Das kann ich ja schon nicht richtig aussprechen.« Man einigte sich auf »Bigband« und die Plattenfirma Enja bestand darauf, dass »Monika Roscher« vorne dran steht.
Monika Roscher merkt derzeit, was eine Bigband organisatorisch und logistisch so mit sich bringt. »Alle haben mich gewarnt: ›Bigband? Bist du verrückt?‹ Jetzt merke ich, was die meinten…« Den Internetauftritt pflegen, Konzerte organisieren, selbst Musik schreiben und üben. Die Musiker kommen nämlich längst nicht alle aus München und wenn es ums Booking geht, was die Frontfrau übrigens selbst erledigt, müssen da eben 18 Terminkalender abgeglichen werden. »Und zum Schreiben bin ich seit drei Monaten fast nicht mehr gekommen. Im letzten Vierteljahr ist nur ein Hackbretttrio entstanden.«
Vielleicht müsste sie die Maske, die sie beim Konzert immer nur bei einem bestimmten Lied trägt, auch im übertragenen Sinne einfach so tragen, dann würde sie womöglich auch mal wieder zum Schreiben kommen. Doch derzeit beherzigt sie den Rat des Dozenten Gregor Hübner, der sie aufforderte, sich »dahinter zu klemmen, spielen zu dürfen«. Und das tut Monika Roscher. Jetzt geht es erst einmal auf die Bühnen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um die Clubs in den großen Städten. Das Ziel ist nun, über die Bühnen Bayerns hinaus bekannt zu werden. Dem steht eigentlich nichts im Wege. Und Monika Roscher würde gerne irgendwann einmal von der Musik leben können. Muss man ein wenig verrückt sein, diesen Beruf zu ergreifen? »Bei mir ist es andersherum: ich würde verrückt werden, wenn ich einen Nine-to-Five-Job hätte.« Und lacht.

Klaus Härtel